26.10.2016

Biokraftstoff- und Rohstoffmärkte im Kontext der globalen Nahrungsmittelversorgung

Mit der Ratifizierung des Klimaschutzabkommens von Paris werden die Unterzeichnerstaaten bis zum Jahr 2020 verbindliche Aktionspläne für die Dekarbonisierung insbesondere für den Verkehr vorlegen müssen. Die Dekarbonisierung des Verkehrs ist global gesehen eine wirksamsten Maßnahme zur Erreichung der Klimaschutzziele. Biokraftstoffe werden neben der Effizienzsteigerung der Motoren bei gleichzeitiger Hybridisierung der Antriebe eine zentrale Rolle im Sinne einer Brückenfunktion übernehmen müssen. Der Grund ist trivial: es gibt sie und mit Biokraftstoffen aus Anbaubiomasse kann in bestehenden Fahrzeugflotten sofort ein wirksamer Beitrag zur Treibhausgasminderung geleistet werden. Vor diesem Hintergrund ist die Europäische Union gut beraten die Förderpoltik auch nach 2020 fortzusetzen, weil die Union andernfalls dann nicht mehr Einfluss nehmen kann auf die Ausgestaltung der Nachhaltigkeitsanforderungen und die bisher von der EU-Kommission zugelassenen Zertifizierungssysteme.

In diesem kritischen und zugleich richtungsweisenden Umfeld über die Zukunft der Biokraftstoffe in der Europäischen Union diskutiert das Forum „Rohstoffmärkte im Kontext internationaler Handelsströme und Preisentwicklungen“, das im Rahmen des 14. Internationalen Fachkongresses für Erneuerbare Mobilität durchgeführt wird, Über Fakten und Fragen, wie die Ernährungssicherheit und der zukünftige Bedarf an Biomasse für die Biokraftstoffproduktion in Einklang gebracht werden kann, speziell zu diesem Thema referiert Keith Klein, Wissenschaftler am Oak Ridge National Laboratory, Center for BioENERGY and Sustainability, USA.

Hieran schließt sich die Frage an, in welchem Zusammenhang stehen der globale Biokraftstoffmarkt und die Agrarmärkte und welcher Einfluss auf die Preisbildung hat der Ölpreis? Mit diesen Wechselwirkungen befasst sich der Agrarmarktexperte Dr. Klaus-Dieter Schumacher, Agri Consult, in seiner Präsentation. Der Vortrag umfasst eine Bestandsaufnahme über tatsächliche Erntemengen und Endverwendungen. Die sachgerechte Einordnung des Biomasseangebotes für die Biokraftstoffverwendung nicht nur in der EU, sondern auch in Drittstaaten soll mit den Teilnehmern diskutiert werden. So hat Brasilien bereits angekündigt, die Biokraftstoffpolitik auf Basis von Bioethanol aus Zuckerrohr in den nationalen Aktionsplan zu integrieren. Dies wird nach Einschätzung von Marktexperten auch andere Unterzeichnerstaaten des Klimaschutzabkommen tun, nicht zuletzt weil strukturelle Angebotsüberschüsse bspw. auf den internationalen Pflanzenölmärkten zu dieser Form der „Marktintervention“ mit dem Ziel Angebots- und Preisstabiliserung zwingen.

Biokraftstoffkritiker weisen an dieser Stelle auf den Effekt der hierdurch ausgelösten indirekten Landnutzungsänderungen hin. Begründung, die Angebotsmengen, die dem Nahrungsmittelmarkt entzogen werden, müssen andernorts durch zusätzliche neue Flächen kompensiert werden. In der Kritik steht hier vorrangig die Rohdung von Urwald auf Torfflächen und die hiermit einhergehenden zusätzlíchen Treibhausgasemissionen, die als „iLUC-Faktoren“ bezeichnet werden. Aber können durch indirekte Methoden in Form von Modellierungen diese Effekte schließlich auch als wissenschaftlich fundiertes Ergebnis für entsprechende Gesetze und Verordnungen abgeleitet werden? Zu dieser Frage nimmt Hugo Valin vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA), Laxenburg, Österreich, Stellung. Sein Institut hatte im Auftrag der EU-Kommission das sogenannte „GLOBIOM-Projekt“ durchgeführt für eine Neuberwertung der Treibhausgasmalusfaktoren, differenziert nach den jeweiligen Biomasserohstoffen.

Mit Blick auf die insbesondere von Umweltorganisationen vehement geführte Kritik an der Verwendung von Palmöl nicht nur zur Biokraftstoffnutzung, sondern in vielen Anwendungsbereichen in der Oelochemie, aber auch in den Haushalten, informiert Martina Fleckenstein, WWF Deutschland, über die Ergebnisse der Studie des WWF zu diesem Thema.

Vor diesem kritischen Hintergrund sieht die Politik den rohstoffpolitischen Ausweg darin, verstärkt Biokraftstoffe aus Abfall- und Reststoffen zu fördern. Im Mittelpunkt steht aber auch hier die Frage nach der Verfügbarkeit, Treibhausgaseffizienz und folglich auch nach der Nachhaltigkeit. Denn, wenn es um Reststoffe geht, die wie z. B. Stroh, die schließlich auch das Ergebnis einer Biomasseproduktion auf Ackerflächen sind, ist zu hinterfragen, ob die aktuelle gesetzlich vorgegebene Treibhausgasbewertung „0 g CO2/MJ“ sachgerecht ist, wenn hierdurch bedingt aus einem Reststoff ein „Wertstoff“ wird. Detlef Evers, Mittelstandsverband Abfall basierter Kraftstoffe, erläutert hierzu in seinem Vortrag das Potenzial und die Perspektive der aus diesen Rohstoffen hergestellten Biokraftstoffe.

Der 14. Internationale Fachkongress für Erneuerbare Mobilität, Kraftstoffe der Zukunft 2017, der vom 23. - 24. Januar 2017 in Berlin stattfindet, greift mit diesem Forum aktuelle Fragestellungen auf, die die Meinungsbildung in der Öffentlichkeit, aber insbesondere in der Politik über die Perspektive der Biokraftstoffpolitik nach 2020 bestimmen werden. Der Kongress findet statt im Vorfeld des ab dem Frühjahr 2017 zu erwartenden Abstimmungsverfahrens im Europäischen Parlament über die im Dezember 2016 erwarteten Vorschlägen der EU-Kommission. In diesem Sinne findet der Kongress „zum richtigen Zeitpunkt“ statt, um mit Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und vor allem der Politik zu diskutieren und sich in die Meinungsbildung einzubringen.

Weitere Informationen auch unter www.kraftstoffe-der-zukunft.com

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